Baku, 22. Oktober 2012
von unserem Reiseteilnehmer Martin Bohne
Zum Gespräch über die Außenpolitik Aserbaidschans trafen wir den unabhängigen Politikexperten Arastun Orujlu, Leiter des East-West Research Centers.
Orujlu war 15 Jahre Büroleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP) in Aserbaidschan, er kommt immer noch regelmäßig nach Deutschland. Seit 2004 leitet er das East-West Research Center, dass er als ein Netzwerk beschreibt, dass unabhängig von äußerer Finanzierung ist. Orujlu ist vom Beruf her Arzt, im Berg-Karabach-Krieg war er als Notarzt im Einsatz.
1992 arbeitete Orujlu unter der damaligen demokratischen Regierung im Sicherheitsministerium. Auch später arbeitete mit der Opposition zusammen, ist dann wegen politischer Differenzen aber aus dem Rat der Oppositionsgruppen ausgetreten. 2009 habe das Regime versucht, so Orujlu, ihn und seine Familie durch einen fingierten Autounfall zu ermorden.
Arastun Orulju (Foto: M. Kluger) |
Das Regime verfolgt offiziell eine ausbalancierte Außenpolitik. Besser für das Land wäre aber eine klare Hinwendung zum Westen. Aserbaidschan mache zwar beim NATO-Partnerschaftsprogramm, der EU-Nachbarschaftspolitik und beim Europarat mit, aber ohne klare Linie. Die Westintegration sei gar nicht ernst gemeint, sie diene nur als Druckmittel gegen Russland.
Dennoch ist Orujlu überzeugt, dass das Land in absehbarer Zeit der NATO und irgendwann auch der EU angehören werde. Aufgrund der zurückgehenden Öleinnahmen werde das Regime bald gezwungen sein, mehr auf die EU zuzugehen. Die Beziehungen zur EU seien jetzt schon hilfreich, weil die das Regime daran hinderten, Verhältnisse wie in Nordkorea zu schaffen.
Die Beziehungen zu Israel seien sehr eng, aber eher auf privater denn auf offizieller Ebene. Man hat 50 Raketenabwehrsysteme gekauft, unterhält aus Angst vor dem Iran aber keine Botschaft in Israel. Baku hat auch große Angst vor einem israelischen Raketenangriff auf den Iran, der eine gewaltige Flüchtlingswelle nach Aserbaidschan auslösen dürfte. Im Iran leben 25-30 Millionen ethnische Aserbaidschaner (fast dreimal so viel wie in Aserbaidschan selbst).
Nach Ansicht von Orujlu hat die Regierung kein Interesse an einer Lösung des Konflikts mit Armenien um Berg-Karabach. Die angespannte Situation und die vielen Flüchtlinge dienten als Vorwand für eine harte Politik nach innen und als Ausrede für wirtschaftliche Schwierigkeiten. Eine Lösung sei daher in weiter Ferne und eigentlich erst möglich, wenn die autoritären Regimes in Aserbaidschan, Armenien und Iran verschwinden.
Bezeichnend seien die sich seit 10 Jahren hinschleppenden Verhandlungen um eine WTO-Mitgliedschaft. Der Alijew-Clan habe in Wirklichkeit kein Interesse an einer Öffnung nach außen, weil dass die sektoralen Monopole stören könnte. Die werden von Ministern kontrolliert, die sich die Gewinne mit der Oligarchie teilen. Korruption sei in Aserbaidschan – mehr noch als in Georgien und Armenien - das dominierende Managementprinzip. Es gibt keine einzige Filiale einer ausländischen Bank. Die heimischen Oligarchen wollen das Land so ungestört wie möglich allein ausbeuten.
Die Strategie des Alijew-Regimes beschränke sich darauf, maximal viel Geld zu stehlen.
Aber Experte Orujlu ging auch mit der zersplitterten Opposition hat ins Gericht. Der fehle eine Vision. Außerdem hält Orujlu die Ankündigung der Opposition für falsch, nach einem Machtwechsel, das vom jetzigem Regime gestohlene Geld zurückzufordern. Dann werde es nur ins Ausland verschoben oder von den neuen Machthabern ein zweites Mal gestohlen. Orujlu spricht sich statt dessen für eine Legalisierung der Gelder aus. Dabei gehe es um 30 bis 50 Milliarden Euro.
Orujlu hält es für unmöglich, dass die korrupte Elite sich von Wahlen verdrängen lassen würde. Auch eine Volksbewegung à la Arabischer Frühlung hält der Experte für ausgeschlossen.
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